Baguazhang - 八卦掌 - Handfläche der 8 Trigramme
Der ursprüngliche Name des Baguazhang ist "Zhuan Zhang" (Drehende Handflächen). Er ist einer der drei klassischen „inneren“ Stile des chinesischen Wushu. „Ba Gua“ wird als „Acht Trigramme“ übersetzt. Dieser Begriff bezieht sich auf acht Grundprinzipien, die in den alten, klassischen Texten des Yi Jing (Buch der Wandlungen) beschrieben sind. Baguazhang ist in diesem Fall eine physische Spiegelung dieser acht Prinzipien, deren Grundlage auf den acht Trigrammen und den Übergängen zwischen ihnen beruht. Im „Wandlungsbuch“ wird es als die Umwandlung der Trigramme beschrieben. „Zhang“ wird übersetzt als „Handfläche“, welche in der Anwendung gegenüber Faust oder Haken, im Gegensatz zu anderen Kampfkunststilen, bevorzugt wird. Eine Handfläche kann man wie die Faust zum Schlagen und wie den Haken zum Halten bzw. Greifen einsetzen. Baguazhang ist eine Kampfkunst, die auf der Theorie der ununterbrochenen, von der Situation abhängigen Veränderung basiert bei der ein Gegner kunstvoll und nicht mit grober Kraft besiegt wird.
Der Ursprungsort, -zeit und der Erfinder von Baguazhang gelten als unbekannt. Die breite Masse hat von dem Stil eher durch Zufall erfahren. Einer Legende nach wird der Stil mit dem Namen Dong Haichuan in Verbindung gebracht, der ungefähr Anfang des XIX Jahrhunderts in der Grafschaft Wenan, Provinz Hebei geboren wurde. Er war Meister des Erlangquan und als guter Kämpfer weit bekannt. Als er auf die Suche nach in abgelegenen Plätzen lebenden Kampfkunstmeistern ging, erreichte er schließlich den in der Provinz Anhoi gelegenen Berg Jiuhuashan. Im Wald verirrt, traf er zufällig einen jungen Taoisten, der im Kreis um Kieferbäume herumlief. Dong Haichuan sah sofort, dass er mit Kampfkunsttraining beschäftigt war, verstand aber nicht, warum er es so prätentiös macht, und lachte. Der Taoist war so empört über sein Verhalten, dass er ihm einen Wettstreit vorschlug. Dong Haichuan willigte ein, in der Hoffnung, ihm eine Lektion zu erteilen. Sie gingen auf eine Wiese und der Kampf begann. Ganz egal wie kräftig Dong Haichuan zuschlug, er konnte den kleinen Taoisten nicht treffen, der immer an ihm vorbeirutschte und ihn zu Fall brachte. Nach dem dritten Fall gab sich Dong Haichuan geschlagen, kniete nieder und bat darum sein Schüler zu werden. Daraufhin hörte er hinter sich ein Lachen und ein alter Taoist trat auf die Wiese. Sein Name war Bi Chengxia, der Lehrer des kleinen Taoisten, der den Kampf schon eine ganze Weile beobachtete. Bi Chengxia gab seine Zustimmung Dong Haichuan als seinen Schüler aufzunehmen. Vier Jahre lang lehrte er ihn die Kunst der Drehung der Hände beim Laufen im Kreis.
Später zog Dong Haichuan nach Peking und wurde der Diener des Großfürsten Su, der ein Verwandter der kaiserlichen Familie war. Der Prinz war ein großer Liebhaber der Kampfkunst und wurde stets von verschiedenen Meistern besucht. Als der Prinz einmal einen Meister eingeladen hatte, damit er seine Kampfkunst demonstriert, gab es eine große Menge Zuschauer aus den Reihen der Diener. Es war sehr heiß und ein Diener wollte den Prinzen mit Tee bedienen, konnte ihn aber durch die große Menschenmenge nicht erreichen. Um dem Diener behilflich zu sein, nahm Dong Haichuan das Tablett mit Tee und lief an der Wand, über den Köpfen der anderen Diener hinweg, zum Fürsten hin. Der Fürst hatte ein geschultes Auge und fragte sofort, ob er irgendeine Kampfkunst beherrsche. Es war nun unmöglich, seine Fähigkeiten weiter versteckt zu halten und somit musste Dong Haichuan dem Fürsten alles über diese Kampfkunst erzählen. Seither hat er mit dem Unterrichten von Baguazhang in Peking begonnen, von wo aus es sich in ganz China verbreitete.
Dong Haichuan hatte viele Schüler und lehrte jeden von ihnen auf eine andere Art und Weise, im Einklang mit den jeweiligen persönlichen Eigenschaften. So entstanden unterschiedliche Zweige des Baguazhang. Bis heute haben sich 3 Stile gehalten. Der Erste stammt von Yin Fu, der Leibwächter von Kaiserin Witwe Cixi war. Er hatte sehr lange bei Dong Haichuan trainiert und galt als einer der besten Kämpfer seiner Zeit. Yin Fu hatte Luohanquan gelernt, daher beruhen Kämpfe aus seiner Version des Baguazhang auf langer Distanz. Die Technik basiert mehr auf Schlägen und der Kreis-Schritt wird nicht dazu eingesetzt hinter den Rücken des Gegners zu kommen, sondern aus der Linie des Angriffs wegzulaufen, um sich dann von der Seite nähern zu können. Bei der Ausführung der Formen sieht man deutliche Kraftauswürfe. Yin Fu war ein sehr wohlhabender Mensch und ließ daher auf seine Kosten die Grabstelle von Dong Haichuan mit den Namen aller seiner Schüler errichten.
Ein weiterer bekannter Schüler von Herrn Dong war Cheng Tinghua. Ursprünglich stammte er aus dem Dorf Chengjiazhuang im Landkreis Shengxian, Provinz Hebei. In seiner Jugend war er als bedeutender Shuaijiao Meister berühmt. Er ging dann nach Peking, um Geld zu verdienen und erhielt dort seinen Spitznamen „bebrillter Cheng“, da er in einer Apotheke Brillen verkaufte. In seiner Version des Baguazhang versucht man sich so schnell wie möglich dem Gegner zu nähern und hinter seinen Rücken zu kommen. Bei dieser Technik gibt es viele Würfe und in der Ausführung der Formen versucht man Kontinuität und Schnelligkeit der Bewegungen zu erreichen. Im Jahr 1900, als die vereinten Kräfte von Großbritannien, Frankreich, Russland und Deutschland Peking übernahmen und anfingen in der Stadt zu plündern, stürmten der mit zwei Dolchen bewaffnete Cheng Tinghua und sein jüngerer Bruder Cheng Dianhua auf die Straße und Tinghua schaffte es den halben deutschen Kader zu erstechen, bevor er erschossen wurde. Dianhua konnte die Einkreisung durchbrechen und flüchtete in sein Heimatdorf, wo er den Rest seines Lebens verbrachte und Baguazhang unterrichtete. Sein vierter Sohn, Cheng Yusheng, hat all seine Kunst komplett übernommen. Unter Cheng Yusheng studierte viele Jahre ein Mann namens Sun Zhijun. Er war der Nachfolger von Lliang Zhenpu, der einer der jüngsten Schüler von Dong Haichuan war und von dem der dritte Zweig des Baguazhang stammt.
Von außen betrachtet sieht man beim Baguazhang nur ununterbrochene Kreisschritte. Im Arsenal der Angriffs- und Verteidigungstechniken gibt es fast keine geraden Bewegungen. Jeder Schritt führt zu einer geänderten Position der Arme und des Oberkörpers. Die Kampfanwendung des Baguazhang basiert auf ständiger Wandlung der Positionen, das heißt, wenn der Gegner eine Bewegung macht, dann soll dies zu einer Reaktion mit der Wandlung in der Position des Kämpfers führen.
Die fortlaufenden Bewegungen sind als eine Einheit verbunden. Sie sind rund und wandeln sich ständig um, während die Kampfkraft (Jin) stabil ist und Härte und Weichheit im Gleichgewicht sind. Die Bewegungen werden mit der Geisteskraft des Kämpfers geführt und kräftig und furchtlos ausgeführt.
Der Kampf im Baguazhang hat folgende Alleinstellungsmerkmale:
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Angriffe beginnen von der Seite des Gegners
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Auf gerade Schläge wird verzichtet
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Schläge erfolgen schräg
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Gerade Kraft wird wie am Beispiel einer Tangente verschoben
Trifft ein Schlag sein Ziel, muss es ein starker Schlag sein. Trifft er nicht, muss man sich gleich vom Gegner entfernen. Die Techniken werden immer durch Kreisen und Bewegung verstärkt und die Position wird ständig gewechselt. Beim Ausweichen nach hinten muss man gleich den Angriff vorbereiten. Alle diese Prinzipien basieren auf denen des „Buch der Wandlungen“ - „Wandlungen sind endlos“.
Trotz der stilistischen Unterschiede ist das Trainingssystem in allen Schulen des Baguazhang einheitlich. Zunächst trainiert ein Schüler Jahre lang das „Laufen im Kreis“, um die Fähigkeit zu entwickeln von der geraden Linie abweichen zu können und sich daran zu gewöhnen immer seinen Schwerpunkt zu kontrollieren. Dann wird die Form „Dingshi Bazhang“ – „Acht Hände etablieren Formen“ (in verschiedenen Schulen kann der Name der Form unterschiedlich sein) geübt, in der acht verschiedene Positionen der Handfläche trainiert werden. Nach dieser wird die Form „Bianshi Bazhang“ – „Acht Hände wechselnde Formen“, die auch „Laobazhang“ – „Alten acht Hände“ oder „Badazhang“ – „Acht große Hände“ genannt wird. Nach der Beherrschung dieser Techniken kann ein Schüler die höheren Formen erlernen („24 Bewegungen“, „8 Bewegungen – 8 Abbildungen“, „Geheime Beine“ etc.), Training der Techniken in Paaren, Waffenbeherrschung und spezielle Schritttechniken. Eine interessante Übung ist „Umlaufen der neun Paläste“, bei der in einem Quadrat von 3x3 Metern, neun 2 Meter große Stöcke in den Boden gesteckt werden, die man kontinuierlich in einer bestimmten Reihenfolge umlaufen muss. Es lehrt die Fähigkeit des Kampfes in einer Menge. Alle Übungen haben verschiedene Schwierigkeitsebenen, so zum Beispiel das Laufen im Kreis auf fast gestreckten Beinen, um dann langsam immer tiefer zu gehen und sich schließlich mit den Oberschenkeln parallel zum Boden zu bewegen, „neun Paläste“, zuerst nur um die Stöcke gehen und später mit jedem Stock während des Durchlaufens eine Art „Schattenkampf“ ausführen, etc. Zusätzlich härtet der Trainierende die schlagenden Handflächen und den Körper ab. Viele Baguazhang Meister sind für ihre „Eiserne Hand“ und „Eiserne Hemd“ Künste berühmt.
Baguazhang war nie eine militärische Kampfkunst, es war immer eine Kunst des individuellen Kampfes, daher haben auch Standard-Waffen hier eine spezifische Form oder spezifische Anwendung. So sind die im Baguazhang verwendeten Schwerter, etwa eineinhalbmal so lang wie normale und beim Training mit einem Speer oder Stock kommt „die kurze Anwendung der langen Waffe“ zum Einsatz. Neben dem normalen Speer wird auch der sogenannte „zweiköpfige Schlangenspeer “, der Spitzen an beiden Enden hat, eingesetzt. Die Lieblingswaffe von Dong Haichuan war „Hahn-Beine Spitzen“.
Baguazhang ist nicht nur eine effektive Kampftechnik, sondern auch ein umfassendes System zur Verbesserung der Gesundheit. Reguläres Baguazhang Training wirkt auf alle Organe und Systeme des Körpers und verbessert ihren funktionalen Zustand. Ein Sprichwort sagt:„Ein Baum fängt von den Wurzeln an alt zu werden, ein Mensch von den Beinen“. Unter den chinesischen Kampfkünsten benutzt man nur im Baguazhang eine konstante Bewegung mit Drehung. Der Einsatz des spezifischen Schrittes „Rutschen auf dem Schlamm“ (Tangnibu), lässt der Beinmuskulatur und den Gelenken die nötige gesundheitsfördernde Belastung zukommen. Die Verbindung der Arbeit des Geistes und der Körperbewegungen, die Bewegungen der Atmung, die Ausfüllung der Bewegung mit dem Kampfinhalt und die Verbindung der Kampf- und Gesundheitsaspekte – das alles führt zur harmonischen Kombination des Inneren und Äußeren und somit zum maximal positiven Effekt für die Gesundheit.
Yin Fu Baguazhang
Meister Yin Fu (1840 – 1909) stammte aus der Hauptstadtprovinz, aus dem Kreis Ji . Schon als junger Mann ist er nach Peking umgezogen, wo er Fechten und Luohanquan (Arhat Faust) lernte. Später, als er erfuhr, dass Dong Haichuan Unterricht gibt, wurde er sein Schüler.
In der Richtung, die Meister Yin gründete, überwiegen die Schläge. Der Kreisschritt wird nicht dazu genutzt, um hinter den Gegner zu kommen, sondern zum Abducken von der Angriffslinie. Die Formen werden sehr konzentriert ausgeführt. Die Bewegungen sind schnell, deutlich und unterbrochen. Im Kampf wird oft mit den Fingern in die Schmerzpunkte und –zonen auf dem Körper geschlagen. Eine besondere Handposition ist die „Handfläche – Bullenzunge“, in der vier Finger zusammen sind, Daumen zur Kante gedrückt und die ganze Hand flach ist.
Beim Schreiten wird oft der „Löwenschritt“ benutzt, bei dem der Fuß von der Ferse auf die Fußspitze rollt. Der Oberkörper wird oft nach vorne gebeugt.